Art-Camps für Kriegskinder in den ukrainischen Karpaten.
Bericht vom Januar 2024
Base_UA ist eine Freiwilligenorganisation, die sofort nach Kriegsbeginn in der Ukraine begonnen hat, unmittelbar im Frontgebiet Menschen zu helfen und Leben zu retten. Seit Juni 2022 organisieren einige junge Frauen, die ursprünglich aus der Region Donezk stammen, Art-Camps für Jugendliche, die unter den Folgen des Kriegs leiden: Viele mussten flüchten, andere leben weiterhin in den Kriegsgebieten, manche haben Familienmitglieder im Krieg verloren, bei anderen dienen die Väter oder Mütter in der Armee.
Im Januar 2024 fand im Wintersportort Drahobrat im Svydovets-Massiv das bereits neunte Art-Camp statt. Dies wurde diesmal vollständig vom Verein NeSTU finanziert. Wir haben eine der Initiantinnen, Marharyta Kurbanova, für ihre Freundinnen kurz Margo, über ihre Eindrücke befragt.
Das Camp ging am 31. Januar zu Ende und die Eindrücke sind bei Margo noch sehr präsent, das merkt man im Gespräch, sie ist fast nicht zu bremsen.
Aus den schriftlichen Selbstdarstellungen der Kinder vor dem Camp hatten Margo und Mascha gemerkt, dass sie unter Einsamkeit und dem Unverständnis ihrer unmittelbaren Umgebung litten. Also machten sie daraus kurzerhand einen Themenschwerpunkt.
Und so war auch der überwiegende Eindruck während des Camps: Sie erlebten frustrierte und vereinsamte Kinder, die niemand haben, dem sie sich vorbehaltlos anvertrauen können. Und dennoch erzählt Margo begeistert, dass es für sie das Camp mit dem intensivsten Austausch zwischen Kindern und Betreuerinnen war. Ein Mädchen, Katja aus Charkiw, erwähnt sie als Beispiel. Katja meinte von sich, dass sie überhaupt keine Gefühle und keine Empathie empfinde. Sie präsentierte sich als völlig introvertierte Person. Während des Camps half ihr vor allem das Malen, sich auszudrücken. Nach ein paar Tagen merkten die Betreuerinnen, dass Katja morgens fast nicht aus dem Bett zu bekommen war. Das lag daran, dass sie sich mit ihren Zimmerkolleginnen angefreundet hatte und dass sie bis spät in der Nacht miteinander über alles mögliche sprachen. So fand Katja während des Camps ganz offensichtlich viel mehr, als sie erwartet hatte und am Ende sagte sie, dass sie am liebsten für immer in diesem Ort mit den neuen Freundinnen bleiben würde.
Auch ein Junge, Ilya, hat Margo sehr beeindruckt. Ilya ist ein intelligenter, nachdenklicher Junge, zugleich ist er sehr verschlossen und sagte das auch von sich selbst. Er kam während des ganzen Camps kaum mit jemand in Kontakt. Doch bei der Abfahrt, als alle schon im Bus warteten, bis auf ein Mädchen, das seine Schuhe suchte, entschied Ilya, dass er nochmals aussteigen und alle Betreuer und Betreuerinnen einzeln umarmen wollte.
Ich habe Margo gefragt, wie sie die Kinder jetzt nach zwei Jahren Krieg erlebe, im Vergleich zu den Kindern, die sie im Sommer 2022 betreuten. Wie immer gab es auch diesmal unter den Teilnehmer.innen Geflüchtete und solche, die weiterhin in Frontnähe leben, es gab Kinder, deren Familienmitglieder im Krieg ums Leben gekommen waren und solche, deren Väter an der Front kämpfen.
Die Kinder empfinden jetzt eine Art Ausweglosigkeit, da sie begriffen haben, dass kein Ende des Kriegs abzusehen ist. Das führt bei ihnen zu einem Vertrauensverlust und macht die Einsamkeit, in der sie sich befinden, noch schwieriger. Andererseits seien die Kinder erstaunlich reif und interessieren sich für gesellschaftspolitische Fragen, die sie mit grosser Toleranz reflektieren. Vorurteile und Rassismus waren denn auch eines der grossen Themen des Camps und der Austausch darüber anhand eines Dokumentarfilms war erfreulich.
Das Team der BetreuerInnen von Base_UA bei der Teezeremonie
Gegen Ende des Camps hatte das Betreuerinnenteam den Eindruck, es mit tief veränderten Kindern zu tun zu haben und fanden es schade, sich in diesem Moment schon wieder zu trennen. Sie vermuten auch, dass die meisten Eltern ihre Kinder gar nicht so kennen, wie sie sich während des Camps gezeigt haben. Als kleine Hilfskrücke erstellte eine Psychologin von jedem Kind ein kleines Porträt mit Empfehlungen für die Eltern. Das war auch eine Neuerung dieses bereits neunten Art-Camps von Base_UA. Das zehnte Camp steht schon vor der Tür, es beginnt am 12. März. https://baseua.org/artcamp/
Das Gespräch führte Jürgen Kräftner, NeSTU Ukraine, Kooperative Longo mai in Nyzhne Selyshche
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