Rundbrief 30.08.2024
Liebe Freundinnen und Freunde von NeSTU
Wieder lösen die russischen Bomben auf die Städte und Dörfer der Ukraine eine Fluchtwelle aus. In Kostyantynivka, Lyman und zwei Dutzend weiteren Orten des Donbas hat die regionale Militärverwaltung die Zwangsevakuierung der Familien mit Kindern angeordnet, davon sind zehntausende Menschen betroffen. Wir stehen in Kontakt mit der Leiterin der Musik- und Kunstschule von Kostyantynivka, Alina. Sie hat uns gebeten, nach Unterkunft für kinderreiche Familien zu suchen. Ende Mai hatten wir sie in ihrer Schule kennengelernt (s. unser Reisebericht) und waren sehr beeindruckt von ihrem Mut und ihrem Engagement. Nun hat sie die Stadt mit ihrem Kind verlassen, es wurde endgültig zu gefährlich: Im August wurde Kostyantynivka mehrmals schwer von Raketen und Bomben getroffen, dutzende Menschen, Erwachsene und Kinder wurden getötet. Die Front rückt derzeit täglich näher. Auch unsere befreundeten Organisationen Base_UA, Vostok-SOS und Angels of Salvation sind an den Evakuierungen beteiligt. Kurzfristig haben wir unser Gästehaus SargoRigo in Nischnje Selischtsche als Übergangslösung für einige Familien angeboten.
Mit diesem Flyer bedanken wir uns bei allen, die uns ermöglichen, kriegsgezeichneten Kindern und Jugendlichen in der Ukraine zu helfen Mut zu schöpfen, ihre Trauma zu überwinden und Freunde und Freundinnen mit ähnlichen Schicksalen zu finden.
NeSTU hat während der Sommermonate mehrere Jugend- und Familienlager der Organisationen Base_UA (Kramatorsk) und Mental Health Recovery (Charkiw) in Nischnje Selischtsche und Kryvoryvnia (Ivano-Frankivsk) unterstützt. Mehr dazu im nächsten Rundbrief.
Ein Bericht vom Mental Health Camp für Angehörige von gefallenen Soldaten ist hier zu finden (auf Englisch).
In diesem Rundbrief
Unsere Partnerorganisationen ProUkraïna und CAMZ haben einen wahrhaft riesigen Generator aus der Schweiz bis nach Kramatorsk im Donbas geliefert.
Die Hudaki Village Band kommt in die Schweiz, Konzerte im Brauiturm Hochdorf am Fr 6. September und in der Barakuba in Basel-Gundeldingen am Sa 7. September.
Die ukrainische Armee verschafft sich Luft im Norden und knickt im Donbas ein. Die Schäden in der Energieversorgung werden immer gravierender. Worauf müssen wir uns noch gefasst machen?
Verfasser dieses Rundbriefs: Jürgen Kräftner, NeSTU Ukraine und Kooperative Longo mai.
Geheizte Wohnungen und warmes Wasser für Lazurniy, Kramatorsk
Dank der gemeinsamen Initiative von ProUkraïna in der Schweiz und dem CAMZ in Uzhhorod konnte sichergestellt werden, dass die Bewohner des Ortsteils Lazurniy, Kramatorsk im Donbas im Winter nicht frieren müssen. Ein in der Schweiz ausgemusterter, aber noch perfekt funktionstüchtiger Generator mit einer stolzen Leistung von 630 kVA steht nach den gemeinsamen Anstrengungen nun beim dortigen Fernwärmekraftwerk und wird dessen Betrieb auch bei Stromausfall aufrechterhalten. Davon profitieren bis zu 13'000 Einwohner und Einwohnerinnen. Bravo und herzlichen Dank allen Beteiligten!
Foto oben beim Umladen im Lager des CAMZ in Uzhhorod, unten vor der Weiterfahrt, weitere 1'500km in den Osten und dann bereits an Ort und Stelle vor der Fernwärmezentrale in Kramatorsk.
Eine Archivaufnahme aus Friedenszeiten von Lazurniy, am Ostrand von Kramatorsk, also entsprechend exponiert. Wünschen wir dem Generator ein langes Leben.
919 Tage Krieg
Wir gehören weder zu den Eingeweihten des Generalstabschefs noch des Präsidenten der Ukraine, daher will ich nicht über deren Motive für den Angriff auf die russische Region Kursk mutmassen, der offensichtlich monatelang vorbereitet wurde. Freunde in der Schweiz fragten mich, was davon zu halten sei.
Von Soldaten an der Front hörte ich, dass sie sich zumindest anfänglich sehr gefreut haben und sogar hofften, dass die Ukraine das AKW von Kurtschatow einnehmen könnte, es ist eines der grössten Atomkraftwerke Russlands und liegt nur 60km nördlich der Grenze. Ukrainische Einheiten sind jetzt nur mehr 30km von ihm entfernt. Einen objektiven Vorteil hat die Operation jedenfalls erreicht: die Ukraine hat zahlreiche Kriegsgefangene gemacht und kann diese gegen eigene Gefangene austauschen. Ein erster Austausch hat vor ein paar Tagen bereits stattgefunden. Auf russischer Seite kämpfen in dem Gebiet "wertvolle" Soldaten, also solche, die Russland gerne eintauschen möchte: Einheiten des Geheimdienstes FSB und junge Rekruten, deren Mütter vergleichsweise lautstark die Rückkehr ihre Söhne fordern.
Ein anderer Pluspunkt ist das zu erhoffende politische Resultat auf internationaler Ebene. Wieder wurde eine der berühmten "roten Linien des Kreml" sang- und klanglos überschritten, und den Zweiflern im westlichen Ausland müssten eigentlich endlich die Augen aufgehen, dass es für ein schnelles Ende des Krieges vor allem eines braucht, nämlich eine ungebremste und vollumfängliche Unterstützung der Ukraine ohne Einschränkungen, was die Anwendung einzelner Waffensysteme betrifft.
Und nicht zuletzt - wir stehen in einem Abnutzungskrieg. Und diesen auf fremdem Territorium zu führen hat den Vorteil, dass diesmal nicht ukrainische Städte und Dörfer mitsamt ihrer Bevölkerung vernichtet werden.
Die Kehrseite der Medaille macht sich im Donbas bemerkbar. Natürlich fehlen dort die gut trainierten und ausgerüsteten Einheiten, die jetzt in Kursk kämpfen. Andererseits könnten wahrscheinlich auch diese anbetrachts der dortigen russischen Lufthohheit und des permanenten Beschusses mit Gleitbomben nicht viel ausrichten, solange die Ukraine nicht die Erlaubnis erhält, westliche Waffen gegen die russischen Bomber auf russischem Territorium einzusetzen.
Dies würde auch die kolossalen Kosten von vorneherein vermeiden, die die unaufhörlichen Angriffe auf unsere Umspannwerke und Kraftwerke verursachen, inbegriffen zukünftiger Fluchtwellen mit denen wir rechnen müssen, wenn im kommenden Winter bei strengen Frösten die Wasserleitungen in den Wohnhäusern bersten. Nach den letzten Beschüssen hatten wir Abschaltungen von über 12 Stunden.
Hudaki
nochmals zur Erinnerung, wir freuen uns auf ein Wiedersehen in Hochdorf am Freitag 6. September und in Basel am 7. September!
Die Fotos unten geben ein paar Eindrücke von unseren CD-Aufnahmen in einer kleinen, uralten Kirche in der Nähe von Groningen. Nach unseren Konzerten in der Schweiz werden wir für eine weitere Aufnahmesession dorthin fahren. Wir müssen immer zittern, ob zwei unserer Musiker, die noch wehrpflichtig sind, ausreisen dürfen, aber diesmal sind wir optimistisch.
Bald werden wir erste Stücke unserer neuen CD veröffentlichen. Danke an Alle, die uns dafür unterstützt haben!
Auch in der Ukraine planen wir wieder einzelne Auftritte, im September Kyiv und eventuell sogar weiter im Osten. Ohne falsche Bescheidenheit, diese Musik ist der beste Stresslöser.
24. August - Unabhängigkeitstag der Ukraine in Zürich
Beinahe unbemerkt von den Schweizer Medien haben die Ukrainer und Ukrainerinnen sowie ihre Freunde und Freundinnen in der Schweiz die ukrainische Unabhängigkeit auch in Zürich zelebriert. Hier einige Fotos von der Demo.
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